Circling
Was ist Circling?
Der Versuch, dass zu erklären, was beim Circling passiert, ist in etwa so schwer wie die Liebe selbst zu erklären.
Circling kann man sich am besten als aktive aufeinander bezugnehmende Meditationspraxis in kleinen Gruppen, bei der du deine körperlichen und emotionalen Erfahrungen in diesem Moment, vor und mit den anwendenden Menschen, aussprichst. Es ist eine tiefgreifende Methode, um Präsenz mit dir selbst zu entwickeln und reichhaltigere Verbindungen zu den Menschen um dich herum aufzubauen. Teil Kunstform, Teil Meditation und Teil Gruppengespräch, gibt dir ein Kreis ein viszerales Gefühl dafür, was andere um dich herum erleben, mit Dir in Ihrer Mitte.
Eine Praxis für authentischen Beziehungen
Circling, auch bekannt als „Authentic Relating with shared context“, ist eine Gruppenkonversationspraxis, die typischerweise eine Stunde bis anderthalb Stunden dauert und 3 bis 9 Personen umfasst. Es ist jedoch möglich, dass es über Tage hinweg andauert und bis zu 50 Personen oder mehr daran teilnehmen. Circling findet persönlich an vielen Orten auf der Welt oder online über Zoom statt. Es gibt auch Schulungsprogramme, die oft 6 bis 9 Monate dauern.
Die Idee des Circlings innerhalb der Authentic Relating (A/R)-Tradition ist einfach: Es geht um das Bewusstsein und die Verarbeitung unserer Erfahrungen mit anderen Menschen im gegenwärtigen Moment, aber mit Liebe oder „Verbindungsabsicht“. Dies beinhaltet, jede Erfahrung und jede Reaktion, die wir gegenüber anderen Menschen haben (glücklich oder traurig, „gut“ oder „schlecht“), anzunehmen und mit Liebe oder Fürsorge zu reagieren.
Nicht einfach nur "Nett zueinander sein"
„Mit Liebe reagieren“ bedeutet nicht, einfach nur „nett“ zu sein. Wenn wir unsere authentischen emotionalen Reaktionen zurückhalten, betrügen wir die andere Person um Informationen, die für ihre Entwicklung nützlich sein könnten, und um die Möglichkeit, sich uns nahe zu fühlen. Es behindert auch unseren eigenen Wunsch, uns mit dieser Person zu verbinden.
Circling kann als ein „Liebes-Bootcamp“ betrachtet werden, ein Ort, an dem wir wir selbst sein können und Fehler machen dürfen, Fehler, die vom Leiter und der Gruppe mit Freundlichkeit und Mitgefühl aufgenommen werden und aus denen wir lernen und wachsen können. Das Ziel ist im Wesentlichen, jede Erfahrung in Liebe (oder Einsicht, oder Lernen, oder Verbindung, oder Zugehörigkeit, oder Verständnis, oder Empathie/Wertschätzung usw.) zu verwandeln.
Circling ist eine transformative Praxis, die uns dabei hilft, authentische und tiefgreifende Verbindungen zu uns selbst und anderen aufzubauen. Basierend auf den fünf Prinzipien des Authentic Relating – alles willkommen heißen, nichts annehmen, die eigene Erfahrung offenbaren, die eigene Erfahrung besitzen und sich selbst und andere achten – bietet Circling einen sicheren Raum, um unsere Gefühle, Gedanken und Erfahrungen zu erforschen und zu teilen.
Kernprinzipien des Circling
Beim Circling geht es im Prinzip um vier Elemente. Fähigkeiten, die sich durch das Circling entwickeln dürfen und nicht von Beginn an da sein müssen. Du musst nichts mitbringen, außer Offenheit, Neugierde und die prinzipielle Bereitschaft, die mit dem zu zeigen was da ist.
- Präsenz: Die Fähigkeit, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein und unsere inneren und äußeren Erfahrungen wahrzunehmen.
- Empathie: Die Fähigkeit, die Perspektive einer anderen Person einzunehmen und ihre Gefühle zu verstehen.
- Authentizität: Das ehrliche Ausdrücken unserer Gedanken und Gefühle ohne Filter.
- Vertrauen: Die Bereitschaft, sich verletzlich zu zeigen und sich auf die Gruppe einzulassen.
Wie funktioniert Circling?
In einer typischen Circling-Sitzung sitzen die Teilnehmer*innen in einem Kreis und teilen abwechselnd ihre Erfahrungen, Gedanken und Gefühle. Die anderen Mitglieder der Gruppe hören aufmerksam zu und spiegeln das Gehörte wider. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die nonverbale Kommunikation gelegt. Der Facilitator schafft einen sicheren Raum für die Teilnehmer*innen und sorgt dafür, dass die Regeln des Circlings eingehalten werden. Er oder sie unterstützt die Gruppe dabei, tiefer in ihre Erfahrungen einzutauchen und fördert eine Atmosphäre von Wertschätzung und Respekt. Wichtig ist hierbei jedoch, dass der Facilitator auf einer Ebene mit den anderen Circlees steht und daher nur sehr grob den Rahmen vorgibt. Beim Circling wird jeder selbst zum Facilitator, im Rahmen seiner Eigenverantwortung.
Warum ist Circling so wirksam?
Durch das regelmäßige Praktizieren von Circling können wir:
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Tiefere Selbstkenntnis gewinnen: Wir lernen unsere eigenen Muster, Bedürfnisse und Ängste besser kennen.
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Unsere Kommunikationsfähigkeiten verbessern: Wir lernen, uns klarer und ehrlicher auszudrücken und besser zuzuhören.
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Stärkere Beziehungen aufbauen: Wir entwickeln die Fähigkeit, uns empathisch auf andere einzulassen und tiefe Verbindungen herzustellen.
- Resilienz stärken: Durch die Auseinandersetzung mit schwierigen Themen können wir unsere Widerstandsfähigkeit erhöhen.
Die im Circling erlernten Fähigkeiten können auch im Alltag angewendet werden. Indem wir achtsamer auf unsere eigenen und die Gefühle anderer achten und offen für neue Perspektiven sind, können wir unsere Beziehungen zu Freunden, Familie und Kollegen verbessern.
Die Wurzeln des Circling
Die genaue Entstehung des Circlings lässt sich nicht auf eine einzelne Person oder ein bestimmtes Ereignis zurückführen. Es gibt einige Verweise in die Humanpsychologie, allen voran das Human Potential Movement. Es gibt viele Namen und Variationen dieser Praxis: T-Gruppen, Encounter-Gruppen und die humanistische Psychologie waren in den 1970er Jahren sehr populär, und auf dem Höhepunkt der Human Potential Bewegung gab es über 3000 dieser Gruppen in den USA. Gestalttherapie-Gruppen verwendeten den Ausdruck „Ich und Du, hier und jetzt“ als Anker für ihre Gruppenarbeit, in Anlehnung an das einflussreiche Werk von Martin Buber.
Guy Sengberg vom Circling Institute bezeichnet sich als Erfinder des „Original Circling“ und hält eine Marke zum Begriff „Circling“. Er verfolgt einen kommerziellen Ansatz beim Circling, was dem Open Source Ansatz des Authentic Relating widerspricht.
Generell lassen sich folgende Wurzeln identifizieren:
- Einflüsse aus verschiedenen Kulturen: Elemente des Circlings finden sich in zahlreichen Kulturen und spirituellen Traditionen, von den alten griechischen Symposien über die indigenen Rituale bis hin zu den modernen Selbsterfahrungsgruppen.
- Bezüge zur Psychologie: Die humanistische Psychologie, insbesondere die Arbeiten von Carl Rogers, haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Circlings gehabt. Rogers‘ Konzept der bedingungslosen positiven Wertschätzung bildet eine wichtige Grundlage für die Praxis.
- Pioniere: Menschen wir André Barnouin und andere haben in den 1970er und 1980er Jahren in den USA die ersten formellen Circling-Gruppen ins Leben gerufen. André Barnouin und andere begannen, die Prinzipien der tiefen Verbindung und der achtsamen Kommunikation in strukturierten Gruppensettings zu erforschen.
Seitdem hat sich Circling weltweit verbreitet und eine wachsende Gemeinschaft von Menschen angezogen, die sich für persönliche Entwicklung und tiefe Beziehungen interessieren. Es gibt zahlreiche Variationen und Ausprägungen des Circlings, aber die grundlegenden Prinzipien bleiben dieselben.
- Die Rolle des Internets: Das Internet hat die Verbreitung von Circling erheblich beschleunigt. Online-Plattformen und soziale Medien ermöglichen es Menschen auf der ganzen Welt, sich zu verbinden und gemeinsam zu praktizieren.
- Verknüpfung mit anderen Praktiken: Circling wird oft in Verbindung mit anderen Praktiken wie Achtsamkeit, Nonviolent Communication (NVC) und Körperarbeit angewendet.
- Professionalisierung: Es gibt heute zahlreiche ausgebildete Facilitator*innen, die Circling-Workshops und -Retreats anbieten.
Circling ist eine lebendige und sich ständig weiterentwickelnde Praxis, die auf einer langen Tradition tiefer menschlicher Verbindung beruht. Es ist ein Geschenk, das wir an uns selbst und an die Welt weitergeben können.